Nach Rheinböllen folgen weitere Stationen
Unsere Outdoor-Ausstellung „Jüdisches Leben im Hunsrück“ ist an ihre vierte Station nach Rheinböllen vor das Rathaus weitergewandert. Die von uns zusammen mit dem Förderkreis Synagoge Laufersweiler verwirklichte Schau beleuchtet die vielfältige jüdische Geschichte der Hunsrück-Region. Ab dem 12. März folgen drei weitere Stationen sowie eine Abschlussveranstaltung im Sommer mit Musik und prodemokratischen Angeboten in Bad Sobernheim.
Zusammen gegen das Vergessen! Die Ausstellung „Jüdisches Leben im Hunsrück“ in Rheinböllen; v.l.: Hans-Werner Johann (Förderkreis), Bernd Raab (Stadt Rheinböllen), Carolin Manns (Förderkreis), Staatssekretär Denis Alt (Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit“, Christof Pies (Förderkreis), Norman Schäfer (IFM)
Ermöglicht wurde die ambitionierte Tour durch die Förderung des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz. Staatssekretär Denis Alt zeigte sich bei der Übergabe des Bewilligungsbescheides über 2.000 Euro an unseren Vorsitzenden Norman Schäfer sehr dankbar. „Gerade in Zeiten des wachsenden Antisemitismus ist es umso wichtiger, dass wir über Informationen und Begegnungen Geschichte lebendig halten und unserer immerwährenden Verantwortung gerecht werden“, sagte Alt. „Wir konnten vergangenes Jahr auf 1700 Jahre Judentum in Deutschland zurückblicken. Seit 27. Juli 2021 sind zudem die SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz UNESCO-Weltkulturerbe. Überall im Land Rheinland-Pfalz richten wir den Blick auf die jüdische Geschichte und die einzigartige lebendige jüdische Tradition. Auch die dunklen Kapitel werden nicht ausgespart.“
Weitere Förderer der diesjährigen Ausstellungstour sind die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur und die Dr. Wolfgang und Anita Bürkle Stiftung.
„Jahrhunderte waren Jüdinnen und Juden hier zuhause“
Kuratiert hat die Ausstellung Carolin Manns vom Förderkreis Synagoge Laufersweiler. Ihr war es besonders wichtig, „den Fokus nicht auf das Thema Verfolgung, sondern auf jüdisches Leben zu legen. Denn über Jahrhunderte waren Jüdinnen und Juden hier zuhause und prägten die dörflichen und kleinstädtischen Strukturen.“ Sie sieht die Besonderheit der Outdoor-Präsentation im niedrigschwelligen Zugang. „Passanten werden sozusagen ‚im Vorbeigehen‘ auf das Thema aufmerksam gemacht. So können Denkanstöße vermittelt und immer wieder reproduzierte Bilder über ‚die Juden‘ in Frage gestellt werden.“
Der Förderkreis hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Synagoge in Laufersweiler mit Leben zu füllen und ein Ort der Völkerverständigung, Begegnung und Toleranz zu sein. Seit 2014 konnte der Verein mit öffentlichen Mitteln das „Forst-Mayer Studien- und Begegnungszentrum für das Landjudentum“ ins Leben rufen.
Auch die Bürgermeisterin von Rheinböllen, Bernadette Jourdant, begrüßt das Projekt ausdrücklich. „Bei einigen Bürgerinnen und Bürgern noch im Gedächtnis, vielen schon fremd, ist die Tatsache, dass auch in Rheinböllen viele Juden lebten und ein Teil von uns waren. Heute erinnern noch ein paar Spuren an das jüdische Leben. Mit der Ausstellung können wir dazu beitragen, dass das Leben, die Vertreibung und Vernichtung der Juden nicht in Vergessenheit gerät.“ betont die Bürgermeisterin.
Weitere Infos zur Ausstellung und den Stationen unter www.initiative-fm.de/jlih
Zusätzliche Informationen
Zur Ausstellung „Jüdisches Leben im Hunsrück“
Die Ausstellung „Jüdisches Leben im Hunsrück“ folgt den Spuren der Juden in der Region über Jahrhunderte und gibt Einblicke in die jüdische Lebensweise und Kultur. Dabei werden auch Ausgrenzung, Antijudaismus und Antisemitismus thematisiert. Schon früh lassen sich erste Spuren jüdischen Lebens im Hunsrück verzeichnen. Nach der Vertreibung aus den Städten siedelten sich ab dem 16. Jh. zahlreiche Juden auf dem Land an und bildeten auch im Hunsrück kleine jüdische Gemeinden. Zunächst nur geduldet, erfolgte erst im 19. Jh. eine langsame rechtliche Emanzipation und Annäherung an die christliche Mehrheitsgesellschaft. Viele Berufe blieben den Landjuden lange verschlossen und so verdingten sie sich mehrheitlich als Viehhändler oder umherziehende Kaufleute, lebten in ärmlichsten Verhältnissen. So gut wie möglich versuchten sie ihre religiösen Traditionen und Bräuche aufrechtzuerhalten. Im Rhein-Hunsrück-Kreis erlebte das Landjudentum Ende des 19. Jh. seinen Höhepunkt. Dort stieg in einigen Dörfern der jüdische Bevölkerungsanteil um 1900 gar auf über 20%. Die Schau wurde für das letztjährige IFM-Kulturfestival „Auf Anfang! Musik, Kunst & Solidarität“ von Carolin Manns vom Förderkreis Synagoge Laufersweiler kuratiert. Für die Projektierung, Konstruktion, Gestaltung und Koordination zeichnet die IFM verantwortlich.
Zum Förderkreis Synagoge Laufersweiler
In Laufersweiler bestand eine jüdische Gemeinde von der Mitte des 18. Jh. bis zur Schändung der Synagoge und der Deportation der verbliebenen Familien im Jahre 1942. Höhepunkt deutsch-jüdischen Lebens war 1895, als Juden einen Bevölkerungsanteil von 20% bildeten. Die Gemeinde ist typisch für das Landjudentum, das sich vom 16. Jh. an bildete und vor allem im 19. Jh. die vorherrschende Lebensform jüdischer Existenz darstellte. Die 1911 erbaute Synagoge steht seit 1985 unter Denkmalschutz und ist nach umfangreichen Renovierungen Standort des Förderkreises Synagoge Laufersweiler. Die Satzung des 1989 gegründeten Vereins beschreibt die Aufgabe, die Synagoge mit Leben zu erfüllen und ein Ort der Völkerverständigung, Begegnung und Toleranz zu sein. Das einmalige Erinnerungsensemble der Gemeinde Laufersweiler besteht aus der ehemaligen denkmalgeschützten Synagoge mit Archiv, Bibliothek, Arbeitsraum und einem Gedenkraum mit der Dauerausstellung „Sie gehörten zu uns“. 2014 wurde das „Forst-Mayer Studien- und Begegnungszentrum für das Landjudentum“ gegründet, das zusätzliche digitale Angebote für Besucher:innen bereitstellt und sich mit historisch-politischer Bildungsarbeit an Jugendliche richtet.
Infos unter: www.synagoge-laufersweiler.de
Beteiligung am Festjahr „2021: Jüdisches Leben in Deutschland“
Im Jahr 2021 leben Jüdinnen*Juden nachweislich seit 1700 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Im Festjahr wurden bundesweit rund tausend Veranstaltungen ausgerichtet, darunter Konzerte, Ausstellungen, Musik, Podcasts, Video-Projekte, Theater oder Filme. Die IFM hat sich ausgehend vom vereinseigenen Kulturfestival „Auf Anfang! Musik, Kunst & Solidarität“ intensiv am Festjahr beteiligt, um jüdisches Leben sichtbar und erlebbar machen und dem erstarkenden Antisemitismus entgegenwirken. Das Festival widmete sich neben der Ausstellung mittels hochkarätigen Musikdarbietungen, einem Talk und einer Performance jüdischem Leben in Vergangenheit und Gegenwart.